Predigt von Pfarrer Thomas Schorsch am 29. Mai 2025

Gemeinsamer Gottesdienst „Blickwechsel“ der Gemeinden Gräfrath, Wald und Ketzberg im Botanischen Garten, Fotos: Pfarrerin Christina Ziegenbalg

Und wie war das für Sie, für Euch?

Man musste ja erst mal rumschauen. Was will ich denn überhaupt sehen? Wen oder was will ich ins Visier nehmen? Wer oder was weckt meine Aufmerksamkeit? Wer oder was ist ein eyecatcher, Hingucker und zwar in einem winzigen Ausschnitt?

Wer von Euch hat denn auch in den Himmel geguckt? Manchmal liege ich draußen auf dem Rücken und guck einfach in den Himmel. Ich beobachte die Bewegung der Wolken. Ich suche mir eine oder zwei Wolken aus und schau einfach zu. Sehr entspannend. Auch so eine Art „Himmelfahrt“ in Gedanken.

Die Himmelfahrt Jesu ist ja eine gewiss außergewöhnliche Form des Abschieds. Und Abschiede sind ja eigentlich immer eine traurige Angelegenheit. Ok, als sich der Spaßmacher Thomas Müller als Spieler von Bayern München verabschiedete, war das fast schon eine feuchtfröhliche Angelegenheit – eine Ausnahme. Als sich Jesus von seinen Jüngern verabschiedete, war das sicher für sie erst mal traurig. Ich liebe ja die alten Winnetou-Filme und im 3. Teil stirbt ja Winnetou in den Armen von Old Shatterhand. Und Winnetou richtet sich noch etwas auf, schaut in den weiten Horizont und sagt, er würde Kirchenglocken hören und verbindet dies mit seiner Hoffnung auf das Einziehen in die ewigen Jagdgründe.

Und dann gibt es eine Reihe von Ausschnitten aus alten Filmen, Erinnerungen von Old Shatterhand an gemeinsame Erlebnisse untermalt natürlich von den bekannten Winnetou Musik. Also, wem da nicht die Tränen kommen. So ähnlich kann ich mir vorstellen waren die Jünger drauf, als Jesus sich von ihnen verabschiedete.

In Gedanken kamen ihnen Ausschnitte aus ihrem gemeinsamen Leben: Jesu fordert die Fischer auf, es nochmal raus auf die See rauszufahren zum Fischen, obwohl sie schon die ganze Nacht nichts gefangen haben. Und die Netze waren voll. Die Heilung des blinden Bartimäus. Das letzte Abendmahl. Und wie sie, die Penner, alle im Garten Gethsemane einschliefen und Jesus in der Nacht mit Fackeln und Schwertern bewaffnet einkassiert haben.

Petrus, wie er aus dem Boot auf das Wasser steigt und auf Jesus zugeht. Petrus denkt aber auch an seine Verleugnung, an das Kreuz. Und er denkt daran, wie der Auferstandene ihn den Versager in Dienst stellte. Und vieles mehr.

Und natürlich stieg in ihnen dabei Wehmut und die Frage auf: Wie soll es jetzt ohne weitergehen? Klar, sie hatten erlebt, dass Jesus nicht im Tod geblieben ist, dass er lebt: Auferstehung. Wahnsinn, was ein Wunder.

Aber jetzt will er sie doch allein lassen. Irgendwann hatte er ihnen ja gesagt, er würde wieder zu seinem Vater in den Himmel gehen. Daher nennt man das heut ja auch Vatertag. Oder? Vielleicht vertu ich mich da auch.

Bei den Jüngern überwogen Skepsis, Zweifel und Wehmut. Sie hatten ja noch nicht die Kraft aus der Höhe in sich, den Heiligen Geist. Den hat Jesus ihnen aber beim Abschied jetzt zugesprochen: Er sagt ihnen, ihr werdet Kraft empfangen, wenn der heilige Gottesgeist auf euch kommen wird. Dann werdet ihr meine Botschafter sein, verlässliche Zeugen, in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis in die letzten Winkel der Erde.«

Und nachdem er diese Ankündigung ausgesprochen hatte, da verschwindet er auch schon. Der Text drückt das sehr bildlich aus: Jesus wurde hochgehoben, und eine Wolke verbarg ihn vor ihren Augen.

Im Konfirmandenunterricht haben wir überlegt, ob man das irgendwie nachspielen kann. Manche wollten sich schon richtig hochheben lassen und aus Stoff eine Wolke nachbilden, aber das haben wir dann doch sein gelassen – zu gefährlich – vielleicht auch zu kitschig. Es klingt ja auch irgendwie sehr märchenhaft. Viel wichtiger ist, was Jesus mit seiner Himmelfahrt deutlich machen will: Ich bin zwar jetzt nicht mehr sichtbar, greifbar unter euch – ja ich bin bei meinem Vater in der unsichtbaren Welt. Aber von da aus, bin ich zugleich überall bei euch und mir ist so sagt er es laut Matthäusevangelium heißt es: gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erde. Jesus Christus herrscht als König heißt es in einem alten Klassiker. Der Theologe Karl Barth hat das am Ende seines Lebens so ausgedrückt: „Es wird regiert!“

Ja, Christus regiert und behält den Überblick über diese Welt. D.h. bei allem Wirrwarr, bei allem Unfrieden und aller Ungerechtigkeit, die wir täglich aus den Weltnachrichten zu hören kriegen: Er hält diese Welt weiter in seiner Hand. Er lässt diese Welt nicht los, behält sie mit liebenden Augen im Blick. Er behält den Überblick im Großen wie auch im Kleinen. Er sieht das große Ganze und nimmt auch dein persönliches Leben in Blick und ist für dich da.

Denn siehe ich bin bei euch alle Tage bis zum Weltenende. Ich bin da, wenn du in die Kirche oder in den botanischen Garten gehst. Ich bin da, wenn dir zum Heulen zu Mute ist und auch da, wenn du von Herzen lachen kannst. Ich bin da, wenn dir die Kräfte fehlen und auch wenn du Bäume ausreißen könntest.

Die Jünger konnten dies wahrscheinlich zunächst noch gar nicht begreifen. Diese Zusage musste erst in ihrem Leben Stück für Stück erfahrbar werden und das tat es auch – spätestens als ihnen an Pfingsten der Heilige Geist geschenkt wurde.

Diese neun Tage Zwischenzeit waren sicher nicht einfach. Irgendwie hing man noch in der Luft. Zunächst starrte man noch in den Himmel – wie erstarrt.

Es brauchte zwei Engel, um die Jünger aus ihrer Erstarrung zu lösen. Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr hier und schaut zum Himmel? Dieser Jesus, der jetzt von euch in die Himmelswelt aufgenommen wurde, wird wiederkommen, genauso, wie ihr ihn in die Wirklichkeit Gottes habt hinübergehen sehen.« 

Ach so, es gibt ein Wiedersehen. Was ist das denn? Alle Zeit, die jetzt folgt, ist nur Zwischenzeit. Man könnte auch sagen: auch unsere Zeit ist nur Zwischenzeit zwischen Himmelfahrt und Advent – also zwischen Abschied und Wiederkunft. Jesus kommt wieder und wird alles zurechtrücken, was jetzt noch durcheinander ist – und dann wird wirklich alles gut.

Ich bin ja immer sehr verhalten wenn bei einer Begrüßung gefragt wird: alles gut? Nee, ist es ja nicht – noch nicht. Wie kann man sagen: alles gut? Selbst wenn man selbst fit wäre und bei einem selbst es halbwegs rund läuft, es ist doch bei weitem nicht alles gut. Wenn das so wäre, hätte Jesus ihnen nicht einen Auftrag gegeben: werdet ihr meine Botschafter sein, verlässliche Zeugen, in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis in die letzten Winkel der Erde.

Und mit dieser Aussicht gebot er ihnen einen Blickwechsel. Ihr Blick wechselte weg vom Himmel zurück nach Jerusalem und d.h. zu einem Auftrag. Man könnte sagen: jetzt ging es erst richtig los. Die Erfolgsgeschichte des Christentums begann als Jesus weg war – als er nicht mehr sichtbar unter uns war, denn durch den Geist Gottes konnte er jetzt überall sein, in jedem von uns und zwar als Kraftquelle für unsere Aufgaben.

Nehmen wir noch mal das kleine Röhrchen vor das Auge. Vielleicht könntest du jetzt jemanden in den Blick nehmen, den du noch gar nicht kennst und du gehst später auf sie oder ihn zu und sagst einfach Hallo, schön, dass Du da bist.

Der Blick wechselt vom Himmel hin zum Nächsten und ich lerne meine Mitmenschen mit den liebenden Augen Gottes zusehe…. Zumindest versuche ich es. Meine Aufgabe, mein Auftrag: Gottes Liebe weitergeben, sie bezeugen durch mein Reden und durch mein Handeln – wie auch immer das jedem aussehen mag. Und jede und jeder hat eine Begabung in die Wiege gelegt bekommen, wie man das umsetzen kann – ob durch reden, kochen, reparieren, fahren, oder was auch immer.

Der schon genannte Karl Barth sagte es so: Gott begabt nicht, ohne zu berufen und er beruft nicht, ohne zu begaben.

Nach Pfingsten konnte die Jünger selbst heilen, sie konnten Menschen in Not helfen und sie zusammenführen zu einer Gemeinschaft und sie konnten beten.
Und ich bete dafür, dass wir zunächst einmal mit der Gewissheit nach Hause gehen: Gott hat mich im Blick, er ist bei mir alle Tage und zwar als sein geliebtes Kind und ich bete darum, dass es mit Gottes Kraft gar nicht so schwer fällt, Menschen in den Blick zu nehmen, denen ich was Gutes tun kann und dazu gehört auch die Fürbitte für sie und für diese Welt und das tun wir auch gleich nach dem nächsten Lied. Amen.