Konzert von Peter und der Wolfram, 22.09.2018, 19:30 Uhr, Gemeindezentrum Tersteegenstraße 52

Der Sound einer ganzen Band umgesetzt von nur zwei Musikern?
Wer sagt, nur Frauen könnten mehrere Dinge auf einmal machen, Männer hingegen nur ein? Mit diesem Vorurteil räumen die beiden Musiker Peter Runde und Wolfram Cramer von Clausbruch hör- und sichtbar deutlich auf! Bekannte Lieder und vertraute Instrumentals in akustischer Vielfalt, gespickt mit Humor und kurzweiliger Unterhaltung versprechen ein einzigartiges Konzerterlebnis. Eigene Kompositionen mit eingängigen Melodien runden das Programm stilvoll ab. Wer der beiden Herren ist nun wofür zuständig? Das ist schwer zu sagen, denn die Bälle werfen sie sich immer wieder gegenseitig zu; dabei gibt es nicht nur Musik, sondern zwischendurch wird auch gezaubert, jongliert und allerlei Klamauk getrieben. Und das ist nicht zu übersehen: Spaß haben die beiden auch noch dabei.

Peter Funda: Percussion aller Art, Akkordeon, Ukulele, Schlitztrommel, Glockenspiel, Gesang, Jonglage, Magie…
Wolfram Cramer von Clausbruch: Gitarre, Bass, Percussion, Hang, Kazoo, Ukulele, Harfe, Kleinillusionen…

Der Eintritt ist frei – am Ausgang bitten wir um eine Spende!

Mein Konfirmationsspruch – Predigt von Superintendentin Dr. Ilka Werner

Die Predigt wurde gehalten am 12.08.2018 in der Ev. Kirche Gräfrath.

Predigt Gräfrath, Konfirmationsspruch Joh 14,6, 12.8.18

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Herrn und Bruder Jesus Christus. Amen.

„Jesus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Liebe Gemeinde,

ich habe mir diesen Vers ausgesucht, vor vielen Jahren, mit 13, als Konfirmandin. Wir hätten uns auch einen Vers geben lassen können vom Pfarrer, aber das kam für mich irgendwie nicht in Frage.

Ich habe mir damals viel Mühe gemacht, zwei Cousinen wurden vor mir konfirmiert, und ich hatte die Gottesdienstprogramme, in denen die Bibelstellen der Konfirmationssprüche abgedruckt waren, aufgehoben. So habe ich irgendwann abends in meinem Zimmer gesessen und in meiner Bibel die etwa 60 Sprüche nachgeschlagen – damals waren die Konfi-Gruppen noch richtig groß, geburtenstarke Jahrgänge halt. Was mir gefiel, habe ich rausgeschrieben und in die engere Auswahl genommen. Am Ende blieb dieser übrig: „Jesus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

Warum ausgerechnet dieser Vers mir besonders gefiel? Genau weiß ich es nicht hat mehr, ich denke, Weg, Wahrheit und Leben gefielen mir, das hatte was Orientierendes, ohne einzuengen, etwas Dynamisches, etwas, dass mir damals groß und ausreichend für ein ganzes Leben vorkam. Es hat mich nie gestört, wenn ich etwas nicht gleich verstanden habe, im Gegenteil, ich fand es gut, denn im Nicht-gleich-verstehen steckte die Verheißung, dass das Denken spannend bleiben würde. Diesen Gedanken mag ich bis heute, dass die Bibel oder auch Philosophie und Literatur einen Überschuss über mein Begreifen haben und eben größer sind als mein Verstehen — einfach, weil es dann nicht langweilig wird und auch, weil ich es hassen würde, die Welt entschlüsselt und damit irgendwie auch erledigt zu haben.

Ich bekam also diesen Vers zugesprochen, und das war es dann erst mal. Vergessen habe ich ihn zwar nicht, aber wichtig oder so war er auch nicht.

Als ich anfing, Theologie zu studieren, wurden die Texte und Geschichten, an die ich mich aus Kindergottesdienst und Konfi-Zeit erinnerte, wichtig – daran konnte all das Neue, das ich hörte und las, andocken. Und: Texte, die ich kannte, ließen sich leichter aus dem Hebräischen oder Griechischen übersetzen.

Ich glaube, ich habe damals zum ersten Mal den Zusammenhang von meinem Konfirmationsspruch gelesen. Da heißt es drumherum:

Jesus sagt zu seinen Jüngern: „Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Wenn´s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, damit ihr seid, wo ich bin. Und wo ich hingehe, den Weg wisst ihr.“ Spricht zu ihm Thomas: „Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?“ Jesus spricht zu ihm: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, so werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Und von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen.“

Abschiedsreden Jesu, so nennt man diesen Abschnitt und die folgenden Kapitel, wo Jesus kurz vor seinem Tod, den er wohl schon kommen sah, seinen Jüngern sagt, was sie unbedingt wissen sollen. Hier geht es ihm darum, die Seinen zu trösten und zu beruhigen. Hier geht es darum, dass er sie nicht verlässt – die Lebensgemeinschaft, die sie in der gemeinsamen Zeit entwickelt haben, geht nicht zu Ende, auch wenn Jesus „geht“, so ist da, wo er sein wird, Platz und Wohnung auch für die Jünger und Anhängerinnen, und, so verspricht er, er wird kommen und sie holen.

Er sagt: Wo ich hingehe, den Weg wisst ihr.

Und Thomas, der immer ungläubige Thomas, stellt die naheliegende Frage: Wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen?

Recht hat er – und nichts verstanden!

Recht, weil man ja schon eine Adresse oder so etwas braucht, um irgendwohin zu gelangen und zu wissen, ob man den Weg wirklich kennt – ohne Adresse hilft auch kein Navi und keine Karte. Und nichts verstanden, weil es eben nicht um ein Ziel irgendwo auf dieser Erde geht, an dem sich Jesus und die Seinen wieder zu treffen versprechen. Es geht nicht um ein Ziel, es geht um eine Beziehung.

Jesus zeigt nicht bloß Weg, Wahrheit und Leben, er ist es. Wir kommen nicht über ihn zum Vater, der irgendwo anders ist, sondern wenn wir mit ihm sind, sind wir mit dem Vater, mit Gott.

Mit dem Versuch, das zu verstehen, zu begreifen, wird es bestimmt nicht langweilig — so gesehen habe ich damals einen guten Griff getan, das wurde mir im Studium klar. Mein Vers bringt ins Nachdenken. Es geht nicht darum, einen Weg gezeigt zu bekommen, die Wahrheit gesagt zu bekommen und das Leben beigebracht zu bekommen – das wäre es, wenn Jesus für uns Lehrer oder Vorbild oder so etwas wäre: Wir würden von ihm lernen, ihn nachahmen, und irgendwann wüssten wir den Weg, kennten wir die Wahrheit und hätten das Leben im Griff. Und könnten auch ohne Jesus weitermachen und weiterkommen und wüssten, was gut und was böse ist, was richtig und was falsch. Genau das geht aber nicht.

Es geht darum, in dem lebendigen Jesus Weg, Wahrheit und Leben zu suchen und in der Beziehung mit ihm zu finden. Und: „finden“ heißt dann nicht „haben“ oder „wissen“, sondern „leben“, oder „zu leben versuchen“. Damit wird man im Leben nicht fertig.

Und konkret, für den Alltag, bedeutet das eine ganze Menge. Nämlich, aus dieser Beziehung zu Jesus heraus offen zu sein für die Art, in der sich seine Wahrheit und sein guter Weg erweist.

Denken Sie an die Begegnung Jesu mit der Ehebrecherin: Ja, es gibt ein Gebot, das Ehebruch verbietet. Aber darum geht es Jesu Gegnern, die wollen das Gebot durchsetzen. Jesus geht es darum, der Frau den Weg ins Leben und in die Gemeinschaft, in die sozialen Beziehungen zurück zu ermöglichen. Darum macht er klar, dass sie nicht so weitermachen kann. Trotzdem ist er barmherzig mit ihr und sagt: „Ich verurteile dich nicht, gehe hin und sündige nicht mehr“.

Wir debattieren in unserer Zeit viel über innere Sicherheit und strengere Gesetze gegen Straftäter, erst recht solche mit Einwanderungsgeschichte. Wir sind erschrocken und bekommen Angst, wenn Frauen und Mädchen überfallen und vergewaltigt werden. Da ist es vielleicht völlig daneben, nach dem Vorbild der Ehebrecherin-Geschichte in falsch verstandener Jesus-Nachfolge einfach zu sagen: Geh hin und sündige nicht mehr. Da ist es eher dran, die Autorität der Ordnungsorgane klarzustellen, damit die Bewegungsfreiheit aller Einwohner und Einwohnerinnen erhalten bleibt. Aber ist das eine Frage von Gesetzen? Oder eine Frage von ausreichender personeller Ausstattung von Polizei und Ordnungsamt, damit schnell maßvolle Sanktionen erfolgen und deutlich wird, dass es keine rechtsfreien Räume gibt. Es gilt, die Tat zu verurteilen, aber den Tätern und Täterinnen den Weg zurück in die Gesellschaft und Gemeinschaft zu ermöglichen. Wie eine zweite Chance aussehen kann, ist von Situation zu Situation verschieden. Was darüber entscheidet, ist die konkrete Beziehung.

Oder denken Sie an den reichen Jüngling: Er ist ein anständiger Kerl, und fasziniert von Jesus, und fragt, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erben. „Gib dein Geld den Armen“ sagt Jesus zu ihm. Das kann der Reiche nicht, das schafft er einfach nicht, und geht traurig weg.

Diese Geschichte müsste uns zutiefst beunruhigen, und ab und zu geht sie uns auch unter die Haut, aber wir schieben sie auch immer wieder von uns weg. Soviel wir auch geben, die meisten von uns behalten das meiste für sich selbst. Hier rufen wir nicht nach strengeren Regeln, hier hoffen wir für uns selbst auf Jesu Barmherzigkeit. Hier meinen wir, von uns persönlich einmal abgesehen, dass der Reichtum unseres Landes im Wesentlichen uns gehören soll, und dass wir nur einen kleinen Teil in die Entwicklungshilfe stecken und ein Vielfaches in den Haushalt zur Verteidigung. Wir hängen mehr am Mammon, wie die Bibel sagt, als an Jesus. Und merken: Wir können uns eine Wahrheit so zurechtbiegen, dass unser Lebensstil schon in Ordnung geht, aber im Blick auf die konkrete Beziehung zu den Armen dieser Welt geht das nicht, jedenfalls nicht so, dass wir uns selbst überzeugen, und in der konkreten Beziehung zu Jesus müsste uns wenigstens die Unruhe anzumerken sein. Hören wir nicht, wie er zu uns sagt: „Ich verurteile dich nicht, aber: gehe hin und sündige nicht mehr?“

Wie sähe das aus? Wie sieht das aus, die Beziehung zu Jesus die Wahrheit unseres Lebens werden zu lassen?

Dass wir immer wieder bereit sind, zu fragen, was dieser Beziehung gerecht wird – und dann zu entscheiden, ob es Zeit ist zu handeln und zu reden, oder zu schweigen und Ruhe zu bewahren, ob es Zeit ist, auf die Straße zu gehen, oder Zeit, zu Hause zu bleiben. Wir sollen nicht Jesus-Kopien werden, sondern Wahrheitssuchende; wir wollen nicht rechthaberisch sein, sondern erfinderisch – denn wir sind mit der lebendigen Wahrheit verbündet.

Angst haben, dass wir Fehler machen oder zu wenig tun, das brauchen wir nicht. Denn wir haben Jesu Versprechen, dass er uns holen kommt, dorthin, wo er ist.

Das Fragen darf niemals aufhören, und die Bereitschaft, etwas zu verändern auch nicht, das gehört ja dazu zu einer lebendigen Beziehung. Das gehört dazu, wenn wir mit der Wahrheit verbündet sein wollen und mit dem Leben. Dann ist der Weg ein Weg, der nicht festgelegt ist, den wir erst entdecken, indem wie ihn gehen, an Jesu Seite. Leben bedeutet dann, Fragen zu stellen und uns immer wieder überraschen zu lassen, uns verändern zu lassen.

Damit werden wir im Leben nicht fertig.

Da ist es gut, einen Spruch als Begleiter zu haben, der nie ganz verstanden ist, in dem immer noch was drinsteckt, was erst die Zukunft zeigen wird.

Damals, als Konfi, fand ich es spannend, den unerschöpflichen Sinn meines Konfirmationsspruches zu ahnen. Heute, als Erwachsene, bin ich dankbar für die bewegliche Orientierung, die der Vers bietet, und als Pfarrerin bin ich froh darum, dass es nicht ums Nachbeten von fertigen Wahrheiten und Geboten geht, sondern um lebendiges Fragen nach der Wahrheit, die Gottes Willen und der menschlichen Not gerecht wird. Und ich bin getrost: Solches Fragen nach der Wahrheit hält mich verbunden mit dem Weg Jesu und mit Gott, dem Vater, der das Leben selbst ist.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahrt unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Mein Konfirmationsspruch – Predigt von Prädikant Dr. Holger Ueberholz

Die Predigt wurde gehalten im Rahmen der gemeinsamen Sommergottes-dienstreihe „Mein Konfirmationsspruch“ am 5.8.2018 in der Evangelischen Kirche Gräfrath

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserem Vater, und von unserem Herrn und Heiland Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde!

In unserer Sommer-Predigtreihe soll es um die Konfirmationssprüche der Predigerinnen und Prediger gehen. Mein Konfirmationsspruch steht in 1. Mose 32, 27 und lautet: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“

Ich möchte meine Predigt in 3 Teile gliedern:

  1. Wie sah es damals im Konfirmandenunterricht aus vor über 50 Jahren?

Am 25. März 1962 habe ich meine Konfirmationsurkunde in einem feierlichen Gottesdienst in der Evangelischen Kirche zu Vohwinkel durch Pastor Tappenbeck überreicht bekommen. Damals waren noch die Konfirmationen im März eines Jahres, weil das neue Schuljahr mit dem 1. April begann, und für die allermeisten meiner Mitkonfirmanden fing dann nach 8 Volksschuljahren die Zeit der Lehre und der beruflichen Ausbildung an, also schon mit meist 14 Jahren. Unserer Konfirmation war ein zweijähriger Unterricht vorausgegangen, der damals im Tescher Gemeindesaal stattfand. Das 1. Jahr als Katechumenenunterricht hielt der damalige Diakon Christoph Scheffler, der gleichzeitig den CVJM leitete und streng darauf achtete, dass jeder Jugendliche im Konfirmandenalter auch zugleich rege am Vereinsleben des CVJM teilnahm. Und wir trafen uns 2 Mal in der Woche, nämlich am Mittwoch und am Freitag von 15 – 16 Uhr. Wir lernten viele wichtige Stellen der Bibel kennen und manches wurde uns dazu diktiert, auch sangen wir viele Lieder aus dem Gesangbuch, die wir dann meist mit 4 Strophen auswendig lernen mussten.

Im 2. Jahr hatten wir bei unserem Gemeindepfarrer Tappenbeck, und kamen immer dienstags von 15 – 16 Uhr und donnerstags morgens von 7. 30 – 15 Uhr zusammen, um uns mit den Fragen des Heidelberger Katechismus auseinander zu setzen. Vor der Konfirmation fand nicht nur eine Prüfung vor dem Bezirkspresbyterium statt, sondern eine Woche vor unserer Einsegnung gab es am Sonntagnachmittag noch eine öffentliche Prüfung vor der gesamten Gemeinde in Vohwinkel, und unsere Eltern waren meist aufgeregter als wir Prüflinge, denen es vor der Nachbarschaft peinlich war, wenn ihre Kinder bei der 3. Strophe von „Ein feste Burg ist unser Gott“ stecken blieben oder denen nicht mehr die 4. Strophe von „Ein Lämmlein geht und trägt die Schuld“ einfiel.

Meine Konfirmationsurkunde hat schon viele Umzüge überstanden und hing immer in meinem jeweiligen Kinderzimmer oder den späteren Arbeitszimmern, und so schaue ich auch heute noch auf meine eingerahmte Konfirmationsurkunde, wenn ich am PC sitze und etwas ausarbeite.

Die linke Seite der Urkunde zieren die betenden Hände von Albrecht Dürer, des bekannten Nürnberger Renaissance- Malers, auf der rechten Seite steht in schwarzer Tinte der besagte Konfirmations-Spruch und mein Name, dazu das Tauf- und das Konfirmationsdatum und zu guter Letzt die markante Unterschrift von Pfarrer Tappenbeck.

  1. Liebe Gemeinde, mein Konfirmationsspruch weist in die frühe Zeit des Volkes Israel. Es geht um Jakob, der seinen älteren Zwillingsbruder Esau um das Erstgeburtsrecht und den damit verbundenen Segen betrogen hatte und nach Haran fliehen musste. Dort heiratete er in der Fremde, arbeitete bei seinem späteren Schwiegervater Laban und bekam von 4 Frauen, 2 davon waren Mägde, 12 Söhne und eine Tochter. Er erwarb in den vielen Jahren großen Reichtum und besaß viele Viehherden, jedoch das Heimweh nach der Heimat wurde im Verlaufe der Zeit immer größer, aber da war ja noch der alte Konflikt mit seinem Bruder Esau. Er hoffte, ihn durch Viehgeschenke aus der Welt zu schaffen und seinen feindseligen Bruder dadurch zu besänftigen. Und dann kam er bei seiner Rückkehr in die Heimat an den Grenzfluss Jabbok im heutigen Jordanien und schaffte alles, was er mit sich führte über eine Furt, eine Untiefe dieses Flusses, und blieb allein zurück. Die Überführung der großen Herden über den in einer tiefen Schlucht fließenden Jabbok war nach Ansicht des bekannten Alttestamentlers Gerhard von Rad, dessen Kommentar ich hierzu benutzt habe, ein schweres Stück Arbeit. Als dann alle Menschen drüben waren und Jakob vorsorglich als Letzter Zurückgeblieben war, da begann die schreckliche Begegnung, von der wir nun hören.

Ich lese uns jetzt die entscheidenden Verse aus 1. Mose 32, 25-31:

25 „Und er blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach. 26 Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, also besiegen konnte, schlug er ihn auf das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde verrenkt. 27 Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: „ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ 28 Er sprach: Wie heißest du? Er antwortete: Jakob.
29 Er sprach: Du sollst nicht mehr Jakob heißen, sondern Israel, denn du hast mit Gott und mit Menschen gekämpft und hast gewonnen. 30 Und Jakob fragte ihn und sprach: Sage doch, wie heißest du? Er aber sprach: Warum fragst du, wie ich heiße? Und er segnete ihn daselbst. 31 Und Jakob nannte diese Stätte Pnu-el, denn ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet.“

Ja, eine wirklich mythologische Geschichte, liebe Gemeinde, die mit meinem Konfirmationsspruch verbunden ist. Jakob, der Esau schwer betrogen hatte und deswegen mit Recht große Angst vor seinem Zwillingsbruder haben musste, konzentrierte sich voll auf diese bevorstehende Begegnung mit ihm. Es war Nacht, eigentlich nichts Ungewöhnliches, denn die Karawanen und Herden wanderten in der Wüste oft in der Nacht wegen der unerträglichen Tageshitze.

Er war noch alleine auf der anderen Seite des Jabboks, die anderen waren schon am anderen Ufer. Und plötzlich sah sich Jakob in Vers 25 mit einem männlichen Wesen konfrontiert, das auf ihn eindrang und mit ihm bis zum Heraufziehen der Morgenröte gerungen hat. Aus dieser zeitlichen Angabe können wir erkennen, dass dieses Ringen wohl eine längere Zeit gedauert hatte, ja dass der Kampf sogar auch lange unentschieden geblieben war, bis der geheimnisvolle Gegner in Vers 26 Jakobs Hüfte berührte, die davon ausgerenkt wurde. In Vers 27 wird sogar der Eindruck erweckt, als ob Jakob zeitweilig die Oberhand gewonnen hätte, denn der unbekannte Gegner bat ihn sogar, losgelassen zu werden, und Vers 29 b bestätigt diese Annahme, wenn es heißt:

„Denn du hast mit Gott und Menschen gekämpft und hast gewonnen.“

Beinahe hätte Jakob diese geheimnisvolle Macht niedergerungen, was seine übermenschlichen Kräfte zum Ausdruck bringt, wenn nicht dieses unbekannte Wesen Jakob an der Hüfte verletzt und damit kampfunfähig gemacht hätte.

Jakob schien offensichtlich in diesem mirakulösen Wesen etwas Göttliches und damit Übermenschliches erkannt zu haben, denn als dieses ihn in Vers 27 aufforderte: „lass mich los, denn die Morgenröte ist heraufgezogen“, da witterte wohl Jakob die Gunst der Stunde und erwiderte: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ Jakob stellte sogar seinem göttlichen Gegenüber eine Forderung, ja eine Bedingung, erst dann loszulassen, wenn dieses göttliche Wesen ihn segnete und ihm damit diese göttliche Lebenskraft schenkte. Jakob hatte also gewissermaßen dieser geheimnisvollen Macht den Segen abgerungen und damit gewagt, nach Gott und seiner Segensmacht zu greifen!

Doch bevor er den Segen bekam, musste sich Jakob fragen lassen, wer er denn sei. Denn der Name war in der ganzen Antike nicht nur ein Kriterium, Menschen voneinander zu unterscheiden, sondern der Name enthielt auch immer etwas von dem Wesen und der Kraft dessen, der ihn trug. „Nomen est omen.“ Diese lateinische Redensart macht deutlich, dass der Name auch immer mit einer gewissen Vorbedeutung, mit einem omen, verbunden ist.

Nun bekam Jakob in Vers 29 von der unbekannten Macht einen neuen Namen beigelegt, einen Ehrennamen, einen Titulus, denn Jakob sollte von nun an „Israel“ heißen, weil er mit Gott und den Menschen gekämpft und dabei gewonnen hatte. In Vers 30 fragte nun Jakob seinerseits diese göttliche Kraft nach ihrem Namen. In der früheren Zeit wusste sich der antike Mensch umgeben von vielen gottheitlichen Mächten, die zwar sein Leben bestimmten, die er aber von sich aus nicht enträtseln konnte. Trat nun so eine Gottheit, so ein numen, so ein göttliches Walten, greifbar und unvermittelt in den Lebenskreis eines Menschen, so war dessen  Frage nach seinem Namen, nach seinem Wesen, nach seinen Absichten, eigentlich ganz natürlich und selbstverständlich. Doch dieser unbekannte Gott, nach dem Jakob nun greifen wollte und den er fast in seinem mythischen Kampf besiegt hätte, ließ sich sein Geheimnis und seine Souveränität nicht nehmen, sondern er entzog sich dem Zugriff Jakobs, indem er fragte, warum er überhaupt seinen Namen wissen wollte. Aber er segnete trotzdem den Jakob, und mit dieser Handlung hat Gott den Segen, den Jakob sich einst erschlichenen hatte, nachträglich legitimiert.

Nachdem  Jakob den Segen Gottes empfangen hatte, benannte er in Vers 31 diesen Ort Pnu-el = Angesicht Gottes, eben weil er, wenn auch im nächtlichen Dunkel, Gott von Angesicht gesehen hatte. Trotzallem hatte ihm diese Begegnung nicht den Tod gebracht, den nach israelitischer Auffassung jeden erwartete, der Gott geschaut hatte.

  1. Was können wir noch heute, liebe Gemeinde, mit dieser prähistorischen Begebenheit anfangen?

Ich möchte das an drei wichtigen Punkten verdeutlichen:

  1. Was bedeutet eigentlich Gott? Der bekannte Religionswissenschaftler Rudolf Otto hat im 20. Jahrhundert das Göttliche in einem scharfen Kontrast definiert und gemeint: Gott ist einerseits das tremendum, also das, wovor der Mensch unwillkürlich erzittern und erschaudern muss, und andererseits ist es das fascinans, das Faszinierende, das, was uns immer wieder anzieht und in seinen Bann schlägt.

Luther hatte schon vor bald 500 Jahren ebenfalls von einem dualistischen Gottesbild gesprochen und gemeint: Gott ist sowohl der deus absconditus, der verborgene Gott; der Gott, der sich nicht in die Karten schauen lässt und der unverfügbar für uns Menschen ist. Er lässt sich seine Freiheit und seine Souveränität nicht von uns Menschen nehmen. Aber er gibt sich trotzdem zu erkennen als der geoffenbarte Gott, als der deus revelatus, indem er greifbar und begreifbar wurde in dem Menschen Jesus von Nazareth. In Jesus erkennen wir das Wesen Gottes und wissen spätestens seit Karfreitag, dass Gott diesen Jesus hat kreuzigen lassen auch wegen unserer Sünde und Schuld, um uns dadurch einen neuen Zugang zu ihm zu schenken, der durch unser Versagen versperrt war. Somit bedeutet für uns Gott nach dem Neuen Testament, dass er letztendlich der Gott der Liebe ist, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt auch unweigerlich in Gott und Gott in ihm.

  1. Was bedeutet für uns heute so ein Ringen mit Gott? Kennen wir nicht alle solche Auseinandersetzungen mit ihm? Sie finden heute nicht mehr körperlich als ein nächtlicher Ringkampf statt, sondern mehr geistlich und mental, und zwar im Gebet. Wie oft haben wir schon mit Gott in schwierigen Situationen, bei Krankheit und Not gesprochen, vielleicht sogar gerungen. Wie viele Gelübde haben Menschen bis auf die heutige Zeit getätigt, um aus einer Lebensgefahr oder einer sonstigen schwierigen Situation gerettet zu werden. Ein uns allen vertrautes Beispiel ist hierfür Martin Luther, der im Gewittersturm gelobt hat, ein Mönch zu werden, wenn er am Leben bliebe. Und Luther steht stellvertretend auch für uns mit seinem schon fast pathologischen Ringen um einen gnädigen Gott, an dem er fast verzweifelt wäre, wenn er nicht diese befreiende Textstelle im Römerbrief des Paulus, Kap. 3, Vers 28, gefunden hätte: „So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, sondern allein durch den Glauben.“ Das Ringen mit Gott findet häufig im Gebet statt, und dabei müssen wir immer auch an Bonhoeffers Aussage denken, der sagte, dass Gott nicht unbedingt alle unsere persönlichen Gebete erhört, aber alle seine gegebenen Verheißungen erfüllt.

Dieses Ringen mit Gott hatte einst auch ein Hiob erlebt, der aber trotz aller Leiden und Schwierigkeiten nicht an seinem Gott verzweifelte oder irre wurde, sondern der trotz allem bekennen konnte: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“

  1. Das Ringen mit Gott in unseren Anfechtungen und Dunkelheiten zeigt auch Psalm 73. Der Psalmist wendete sich trotz äußerlicher Not nicht von Gott ab, sondern bekannte sich zum „Dennoch des Glaubens“: Dennoch, trotz aller ungelösten Rätsel und aller unerklärbaren Schwierigkeiten, bleibe ich stets an dir, denn du hältst mich bei meiner rechten Hand, du leitest mich nach deinem Rat und nimmst mich am Ende mit Ehren an.“

Ein Christ, liebe Gemeinde, schaut also nicht nur auf die gegenwärtige Not, sondern er denkt auch zugleich an das Ende seines Lebens, an dem er hofft, ja sogar die Gewissheit hat, von Gott in Ehren angenommen zu werden.

Und diese Zuversicht strahlt für mich auch mein Konfirmationsspruch aus in Vers 27: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ Gewiss, manches muss im Leben errungen und erbeten werden. Wir dürfen von Gott nicht ablassen, vor allem dann, wenn es uns gut geht und wir dann leicht unseren Schöpfer und Geber aller guten Gaben vergessen. Lied 387 verdeutlich in Vers 4 dieses „ich lasse dich nicht“, wo es heißt: Ja, er will gebeten sein, wenn er was soll geben; er verlanget unser Schrein, wenn wir wollen leben.“

So bleiben wir unser ganzes Leben lang im Gebet auf Gott angewiesen, denn wir haben die Gewissheit, dass Gott auch uns, wie damals den betrügerischen Jakob, segnen wird, wenn wir treu an ihm festhalten und ihn nimmermehr loslassen. Amen.

Wir beten mit Lied 387, Vers 5: „Doch wohl gut, es muss uns schon alles glücklich gehen, wen wir ihn durch Gottes Sohn im Gebet anflehen, denn er will uns mit Füll seiner Gunst beschütten, wenn wir gläubig bitten. Amen

Wir singen Lied 387, 1-5: Mache dich, mein Geist, bereit