Mein Konfirmationsspruch, Predigt von Pfarrerin Sabine Büker-Benedens am 29.07.2018

Die Liebe Gottes, die Gnade Jesu Christi und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.   AMEN

Liebe Schwestern und Brüder!

Bei der Vorbereitung auf heute, dem Nachdenken über meinen Konfirmationsspruch war die folgende Szene sofort wieder da:

Ich liege auf einer Decke in einer Kirche. Ich liege auf dem Bauch und über mich wird eine Decke nach der anderen gelegt. Die Last wird schwerer, die Luft stickiger – und ich soll meinen ausgewählten Bibelvers in den Raum brüllen. Deutlich und hörbar durch alle Decken hindurch. Nach jedem Mal eine weitere Decke, und langsam fühle ich eine gewisse Platzangst – der Panikpegel steigt. Ich rufe meinen Spruch immer verzweifelter in die Kirche. Jetzt kann ich nicht mehr, gebe das verabredete Signal und die Decken werden eine nach der anderen schnell entfernt. Ich bin frei, darf aufstehen – und sage meinen Spruch noch einmal „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten.“

Ich spüre Erleichterung, Freiheit, innere Ruhe, Jubel – meine Haltung, der Klang meiner Stimme… alles drückt die Gewissheit dieses Verses, meines Konfirmationsspruches aus. Gottes Licht, sein Heil durchdringt mich – warum also Angst haben? Die Panik unter den vielen Decken ist jetzt nicht mehr, als eine langsam verblassende Erinnerung.

Wie tief dieser Vers wirkt, das konnte auch ich mir am Tage meiner Konfirmation am 20.März 1977 bei weitem nicht vorstellen. Einen Zugang zum Glauben hatte ich, war schon seit fast einem halben Jahr Mitarbeiterin im Kindergottesdienst und hatte, zusammen mit anderen Konfirmandinnen und Konfirmanden Gottesdienstes mitgestaltet. Auch wir sollten mündig werden, waren begeistert von Pfr. Puls, der direkt aus einer EKD – Auslandspfarrstelle in Afrika nach Heiligenhaus kam und uns praktisch nichts auswendig lernen, aber umso mehr diskutieren ließ (unter anderem darüber, ob Jesus denn nun Gottes Sohn ist oder nicht – das Ergebnis dieser Diskussion erinnere ich leider nicht mehr). Doch in einem war er eher konservativ: die Konfirmationssprüche hat er ausgesucht.

Und heute, nach 41 Jahren habe ich das Gefühl: Herr Puls hat mich wohl recht gut

gekannt. Als Kind und Jugendliche war ich ein ziemlich introvertierter Mensch, im Umgang mit anderen unsicher. Ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als auf andere von mir aus zuzugehen.

Gedanken habe ich mir über meinen Konfirmationsspruch lange nicht gemacht. Und wirklich gewusst habe ich ihr auch nicht. Wann genau es dann aber so war, dass ich ihn wenigstens hersagen konnte, kann ich gar nicht sagen. Ja, ich glaube so richtig „klick“ gemacht hat es bei mir durch dieses Erlebnis im Vikariat. Eine Übung zur liturgischen Präsenz = Präsenz im Gottesdienst / Kirchraum. Dieses Herausschreien des Spruches in wachsender Angst – das gelöste, ja erlöste Sprechen hinterher…  seitdem lässt er mich nicht mehr los.

„Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten.“ – Worte, die dem König David zugeschrieben werden. Mit diesen und auch den darauf folgenden Sätzen beschreibt er die Situation eines Menschen der verfolgt wird, oder sich zumindest verfolgt fühlt. Er erlebt Anfeindung durch andere, sieht sich seiner Umwelt ausgeliefert – und stellt dem das Vertrauen auf Gottes Schutz entgegen. Bei Gott selbst, ja in seinem Haus, da ist Schutz, da können die Feinde ihn nicht erreichen.

Ganz konkret lässt das auch heute noch an Kirchenasyl denken. In früheren Zeiten der letzte Rückzugsort für Verfolgte – kein rechtsfreier Raum, aber ein Ort, an dem die Macht der Fürsten und Könige sich der Macht Gottes unterwerfen musste.

Heute wird das wieder viel diskutiert – im Zusammenhang mit der Hilfe für Geflüchtete; und auch heute ist es manchmal das letzte Mittel, einen Zufluchtsort zu gewähren um noch einmal alle rechtlichen Hebel in Bewegung zu setzen und Menschen zu helfen. Auch heute kein rechtsfreier Raum – Gemeinden, die mit dem Kirchenasyl arbeiten müssen sich sehr genau überlegen, was sie tun und gute Gründe dafür haben…

Verfolgung, wie im Psalm beschrieben habe ich nicht erleben müssen. Situationen, in denen ich auf Gottes Schutz angewiesen war… davon gab es schon mehrere, auch wenn ich das nicht immer gleich gefühlt habe. Den größten Knacks hat mir dabei die völlig verpatzte Examensprüfung 1989 zugefügt. Mein Mann geht ins Vikariat, ich bin mir Pauken und Trompeten durchgefallen, und das bedeutet noch 1,5 Jahre bis ich dann hoffentlich auch das Studium abgeschlossen habe. Weiter studieren, wieder Examensarbeiten schreiben, wieder Klausuren, wieder mündliche Prüfungen… eben das volle Programm. Ich brauchte viel Unterstützung, wollte alles aufgeben, mich wieder vom Examen abmelden… und doch hat da einer seine Hand über mich gehalten, mir Menschen an die Seite gestellt  – meinen Mann, Kollegen / Kolleginnen aus seinem Vikariatskurs, Studienfreunde… – die mir geholfen haben durchzuhalten. Ich habe es nicht als Gottes Licht wahrgenommen, aber es schien mir die ganze Zeit. Sein Schalom, sein Heil hat mich begleitet und mir nach und nach den Weg aus der Panik heraus gezeigt.

Wenn ich im Bild vom Anfang bleibe, war das wohl eine der dicksten Decken, die auf mir lagen und mir lange den Blick verstellten. Und es kamen noch andere dazu: die Bewerbungszeit ab Sommer 1994, die immer nur Absagen brachte (damals kamen etwa 70 – 90 Bewerbungen auf eine Pfarrstelle), die Entlassung aus dem Hilfsdienst, da ich ja keine Pfarrstelle gefunden hatte, also erst einmal arbeitslos sein… verbunden mit der Unsicherheit, wie es denn weitergeht.

Und auch in dieser Zeit, bekam ich meinen Weg gezeigt. Gottes Licht wurde zum Wegweiser – über die ersten Versuche mit der Gebärdensprache und in der Gehörlosengemeinde in Moers, über das hospitieren in der Gemeinde und dem Berufskolleg für Hörgeschädigte in Essen, bis hin zu der Ausschreibung aus dem Kirchenkreis Solingen, die mein Mann mit auf den Schreibtisch gelegt hatte (schön rot angestrichen). Natürlich erst einmal große Unsicherheit: das kann ich nicht. Konnte ich aber doch. Und hier gab es dann eine berufliche Zukunft für uns beide, und auch das Geschenk, eine Familie werden zu dürfen – und trotz immer wiederkehrendem Gefühl etwas nicht zu können, etwas nicht gut genug zu machen die Zeichen: hier bist du richtig.

Oder besser: Mach das und trau dich! Du kannst das – und wenn nicht sofort, dann kannst du es lernen. Du brauchst keine Angst zu haben.

Wie gesagt: bei der Konfirmation hätte ich mir nicht träumen lassen, wie deutlich dieses Wort, vom Pfarrer ausgewählt, immer wieder in meinem Leben sichtbar wird. Mein Konfirmationsspruch, er ist wirklich mein Spruch für’s Leben geworden: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten.“

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, er bewahrt unsere Herzen und Sinne im Glauben an Jesus Christus. AMEN

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